Zahlen und Fakten
Initiator: Enespa AG, Appenzell
Investitionsfokus: Thermolyse-Anlagen zum Umwandeln von Plastikabfall in Paraffinöl
Steuerliche Gestaltung: Einnahmen aus Kapitalvermögen und Beteiligungen
Mindestzeichnungssumme: SFR 1.000 bei Obligationen, 1.000 Stück bei Aktien
Geplante Laufzeit: bis 31. 12. 2024
Geplante Verzinsung: 4,5 % p. a. (Obligationen)
WKN-Nummer: A2QALV
Valor-Nummer: 554 992 46 (Obligationen) / 42.906.308 (Aktien)
ISIN-Nummer: LI 055 499 24 66 (Obligationen) / CH 042 906 30 81 (Aktien)
LEI-Nummer: 529 900 LYB JVW L3L G7D 81 (Obligationen)
Plazierungsende: 30. August 2021 (Obligationen), Ende 2021 (Aktien)
Emissionskapital: maximal SFR 20 Mio., ohne Agio
Fremdkapital: nein
Weichkosten: nicht bekannt
Investitionsquote: nicht bekannt
Liquiditätsreserve: € 1,2 Mio. (Stand August 2020)
Plazierungsgarantie: nein
Technologie: Biofabrik Technologies, Deutschland
Anlagenbauer: Nürmont, Deutschland
Externe Mittelverwendungskontrolle: Moore Stephens Expert (Zurich) AG
Alleinstellungsmerkmale: Direktinvestition in hochtechnologische Recycling-Anlagen. Referenz-Anlage produziert seit 2017 als Prototyp.
Bewertung: 2+ (Notenskala)
Investmentanalyse vom 07.09.2020
Enespa AG – Obligationsanleihe 2020 Zweitanalyse
Die Enespa AG mausert sich vom Recyclingverfahren- zum Standortentwickler. Die Technik wird nunmehr von außen durch einen renommierten Partner eingebracht. Der erste Standort steht kurz vor dem Baubeginn. Damit könnte Enespa mittelfristig vor einem sehr großen Wachstumsschub stehen.
Der Anbieter
Die Enespa AG, Appenzell, wurde 2004 gegründet, das ursprüngliche Stammkapital von SFR 1 Mio. wird aktuell auf über SFR 2 Mio. erhöht. Die vorliegende Offerte ist die zweite öffentliche Finanzierungsrunde auf Publikumsebene. Geschäftszweck des Unternehmens ist der Betrieb von Recyclinganlagen, die auf dem Thermolyseverfahren basieren. Gründer und Initiator im Haus ist Cyrill Hugi. Dieser bringt, laut Vita, eine umfangreiche Erfahrung in der Projektleitung von technischen Anlagen ein und ist mit über SFR 1 Mio. Eigenkapital im Projekt investiert. Ich kenne Cyrill Hugi seit nunmehr 3 Jahren und bin von seiner persönlichen Integrität komplett überzeugt. Zu dieser Überzeugung trugen auch meine Beobachtungen im Rahmen einer Unternehmensprüfung namens der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma bei: Die durch eine Anwaltskanzlei durchgeführte Untersuchung benötigte über 17 Monate. Das langwierige und überaus teure Verfahren stellte eine echte Feuerprobe für das Unternehmen dar. Trotz eines ausgesetzten laufenden Betriebs (und eines damit einhergehenden Emissionsverbots) hat die Enespa diese Untersuchung überstanden – eine Leistung, die sehr selten ist. In aller Regel werden die namens der Finma untersuchten Unternehmen letztendlich in den Konkurs gebracht. Dank des massiven persönlichen Einsatzes und großer privater wirtschaftlicher Opfer kann Cyrill Hugi das Unternehmenskonzept nun zu seinem Erfolg führen. Er hat damit seine Verbundenheit mit der Unternehmensidee mehr als bewiesen. Die Obligationäre aus der ersten Finanzierungsrunde wurden trotz der Finma-Untersuchung immer rechtzeitig bedient.
Auf Fragen im Rahmen der aktualisierten Analyse reagierte der Anbieter zeitnah und ausführlich.
Schwächen – Konzept stellt aktuell immer noch ein (eingeschränktes) Risikofinanzierungsmodell dar.
Stärken – Verwaltungsrat bringt fundierte Erfahrung und Fachexpertise für Finanzierung mit Aktien und Obligationen. Enespa hat eine sehr tiefgehende und langwierige Überprüfung im Auftrag der Finma überstanden.
Der Markt
Die Produktion von Ölstoffen durch Recycling ist seit Jahren ein politisches Thema: Sobald erprobte Verfahren vorliegen, die einen derartigen Prozeß ermöglichen, sind die EU-Staaten seit 1975 (1987 / 91) gehalten, derartige Verfahren einzusetzen und in der Folge die gesetzlichen Regelungen anzupassen.
Sehr positiv aus Investorensicht ist die Verquickung einer gesicherten Nachfrage nach dem Endprodukt Öl mit der langfristig gesicherten Ressource Plastikabfall. Rund 4,5 Mio. Tonnen Kunststoffabfälle kommen in Deutschland jährlich in das Recycling und die Müllverbrennung. Die bestehenden Recycling-Verfahren können nur einen Teil der Kunststoffe wirtschaftlich regranulieren. Der größte Teil wandert in die Müllverbrennung.
Bisherige Anleger „durften“ bei Enespa den Eintritt nicht planbarer Risiken in Form einer Untersuchung namens der Finma erleben. Damit haben sich die Zeitabläufe wesentlich verlangsamt, auch wenn Planziele des Projekts stets im oder vor dem Plan erreicht wurden und werden. Der ursprünglich für 2018 geplante Baubeginn der Industrieanlage soll nunmehr 2020/21 erfolgen. Die Belieferung mit dem notwendigen Plastikmüll soll vertraglich gesichert sein, ebenso liegen für die Abnahme des Paraffinöls attraktive Angebote vor.
Schwächen – Verkaufspreise des Endproduktes unterliegen zum Teil Marktschwankungen.
Stärken – Sicheres Marktumfeld mit langfristig gesicherter Rohstofflieferung und Abnahme des Endproduktes.
Die Anlagen
In den Jahren 2011 bis 2018 entwickelte die Enespa AG eine Technologie, um gemischte Kunststoffabfälle mit dem Thermolyse-Verfahren in einem kontinuierlichen Prozess in ein Produktöl zurückzuführen. Dieses kann anschließend wieder als Grundstoff für die Produktion von neuem Plastikmaterial verwendet werden. Mit der ersten Testanlage konnte Enespa die Realisierbarkeit und die Wirtschaftlichkeit des Modells nachweisen. Für den Bau produktiver Anlagen ist Enespa 2019 eine enge Partnerschaft mit Biofabrik Technologies GmbH eingegangen. Der Inhaber der Biofabrik sitzt als CTO im Verwaltungsrat der Enespa AG. Biofabrik Technologies GmbH verfügt unter anderem über eine mehrjährige Erfahrung mit Thermolyseanlagen für das Recyclen von Altöl. Ende August 2020 wurde die erste Thermolyseanlage für gemischte Kunststoffabfälle ausgeliefert. Damit kann sich die Enespa auf den Betrieb von Kunststoffrecycling-Standorten konzentrieren. Risiken für Entwicklung und Produktion der Anlagen sind ausgelagert.
Um den kontinuierlichen Betrieb zu gewährleisten, wird die Recycling-Fabrik in Modulen gebaut. 5 Module mit einer Verarbeitungskapazität von 1000 kg/Tag bilden eine Einheit. Die Skalierung der Produktionskapazitäten erfolgt über den kontinuierlichen Ausbau des Standortes mit derartigen Einheiten. Das Auswechseln von Ersatzmodulen erfolgt während des laufenden Betriebs. Die Revision der ausgewechselten Module erfolgt in der eigenen Werkstatt vor Ort.
Das erste 250 kg/Tag-Modul wurde über Monate durch Biofabrik Technologies mit Originalmaterial geprüft und optimiert. Für das Endprodukt Paraffinöl liegen von verschiedenen Raffinerien attraktive Offerten vor.
Der gemischte Kunststoffabfall wird unter Sauerstoffausschluß auf 450 Grad erhitzt und dabei die Moleküle aufgespaltet. Im anschließenden Kondensationsprozeß wird der Rohstoff extrahiert. 10 bis 15 % des extrahierten Rohstoffes ist gasförmig. Dieses Gas findet Verwendung für die Herstellung von Elektrizität zum Anlagenbetrieb.
Aktuell sind für den Anlagenaufbau zahlreiche Standorte im Gespräch. Zwei Standorte sind weit fortgeschritten. Die Finanzierung des Gesamtprojekts erfolgt durch eine Kapitalerhöhung, sowie mittelfristig durch weitere Finanzierungsrunden und eventuell Fördermittel.
Das Erstellungsrisiko und den laufenden Betrieb verantwortet Enespa, damit auch der Anleger. Die Herstellung der Module erfolgt durch ein etabliertes großes deutsches Unternehmen.
Die Planung ist grundsätzlich konservativ: Der zu erzielende Verkaufserlös basiert auf den Angeboten der Raffinerien. Das technisch mögliche Produktionsvolumen wird um 30 % niedriger veranschlagt, um ausreichend Reserven zu bieten. Die Produktion wird über 300 Tage/Jahr veranschlagt.
Schwächen – Die Technologie ist noch nicht langfristig im Einsatz getestet.
Stärken – Anlage ist erprobt und evaluiert. Konzept sieht hohe Sicherheitsreserven vor.
Das Konzept
Die Idee ist an sich nicht neu – per Recycling soll aus gemischtem Plastikabfall der Ursprungsstoff Paraffinöl gewonnen werden. Bei derartigen Investments bestehen die Hauptrisiken erfahrungsgemäß in einer nicht ausgereiften/erprobten Technik, fehlenden Patenten, unerfahrenen Partnern, verweigerten Genehmigungen und/oder fehlender Materialversorgung und einem fehlenden Absatzmarkt. Sämtliche dieser Risiken sollen bei der vorliegenden Offerte nahezu komplett ausgeschaltet sein.
An einem der bevorzugten Standorte sind alle Baugenehmigungen in der Beantragungsphase bei den unterschiedlichen Ministerien. Stand heute ist das Gesamtprojekt „genehmigungsfähig”, da auch die Umweltverträglichkeitsprüfung positiv abgeschlossen wurde.
Die Technik selbst ist erprobt, allerdings liegen noch keine langfristigen Erfahrungen aus einem tatsächlichen industriellen Einsatz vor, da die erste Anlage erst im August dieses Jahres ausgeliefert wurde. Das Technologierisiko ist an professionelle Anlagebauer ausgelagert.
Bei einer Laufzeit bis Ende 2024 soll der Obligationsanleger einen Zins von 4,5 % p. a. erhalten. Die Prognosen sind sehr konservativ kalkuliert, um dem Konzept ein Höchstmaß an Planungssicherheit zu bieten. Der Unternehmensertrag gestaltet sich aus den Entsorgungseinnahmen und dem Verkaufserlös des Paraffinöls. Die Investition finanziert sich aus der Aktienkapitalerhöhung sowie weiteren Finanzierungsrunden. Auch die laufenden Einnahmen werden für das geplante Wachstum eingesetzt. Es erfolgt eine laufende externe Mittelverwendungskontrolle, was sehr positiv ist.
Schwächen – Technologie ist noch nicht langfristig im Industriebetrieb eingesetzt worden.
Stärken – Sehr gutes Marktumfeld. Sehr konservative Kalkulation mit hohen Sicherheitsreserven. Hohe Eigenexpertise im Haus. Hochkarätige Partner für Technologie und Anlagenbau. Langwierige Untersuchung namens der Finma hat die Stabilität im Unternehmen nachhaltig und eindrucksvoll bewiesen.
Die Zielgruppe
Das Angebot ist für erfahrene Anleger geeignet, die eine Investition in eine ausgereifte innovative Technik in einem attraktiven Marktumfeld suchen und gleichzeitig den ökologischen Aspekt im Auge haben. Ob die ausgelobte Verzinsung für das projektimmanente Risiko ausreicht, muß der mögliche Anleger für sich entscheiden.
Summa summarum
halte ich das Angebot „Obligationsanleihe“ der Enespa AG, Appenzell, für interessant. Das Anlagekonzept ist vor dem großen Marktpotential und angesichts der erprobten Technik überzeugend. Die geplante Fabrik steht kurz vor Baubeginn, womit sich noch Restrisiken ergeben, die ein Investment vor allem für erfahrene Anleger attraktiv erscheinen lassen dürfte. Meiner Meinung nach hat das Angebot eine Bewertung mit „einwandfrei“ (2+) verdient.